Alles für Deutschland? Verboten!

Auch ich lerne gelegentlich dazu und komme dann aus dem Staunen nicht mehr heraus. Bei der obigen Wortkombination soll es sich nämlich um einen Nazi-Spruch handeln, genauer gesagt, eine Parole der SA, der berüchtigten Sturmabteilung der NSDAP. Und die Aneinanderreihung der Worte „Alles-für-Deutschland“ sei nicht nur verboten, sondern sogar strafbewehrt. Oje!

Das Ganze kam schon vor Monaten auf in einzelnen Pressemeldungen und Fernsehberichten. Höcke habe Nazi-Propaganda geäußert und sei deswegen angezeigt worden.  Man musste schon nachforschen um in Erfahrung zu bringen, was er denn nun von sich gegeben hatte. Genau, eben jene drei Worte. In einer Wahlkampfrede. Und dieser Vorwurf wurde jetzt von den Moderatoren des Fernsehduells Höcke gegen Voigt (das ist der CDU-Mann aus Thüringen) vor einigen Tagen erneut hervorgekramt. „Alles für Deutschland“ sei doch durch den § 86a StGB verboten!  Das müsse er doch wissen!

Ich bilde mir ein, einigermaßen gut in der Historie des 20. Jahrhunderts, zumal der deutschen Geschichte, bewandert zu sein.  Noch während des TV-Duells schlage ich nach im Strafgesetzbuch:

Merkwürdig, da fehlt eine Aufzählung, was denn genau verboten sein soll. Die hätte man sich aber, wenn schon nicht im Gesetzestext, dann doch in einer exakten Ausführungsbestimmung gewünscht. So, wie man es bei anderen Gesetzestexten kennt. Es bedarf keiner Diskussion, dass etwa belastete Floskeln wie „Heil Hitler“, „Sieg Heil“ oder ähnliches verboten sind. Einige mögen vielleicht noch wissen, dass der Spruch „Unsere Ehre ist Treue“ in Abwandlung eines Hindenburg-Zitates auf dem Koppelschloss der SS stand und damit ebenfalls streng geahndet wird.

Die Bundeszentrale für politische Bildung ist für die Bundesrepublik eine Institution, vergleichbar etwa mit der Glaubenskongregation des Vatikans. Ich schaue nach bei https://www.bpb.de/ Aber mit welchem Suchbegriff ich da auch recherchiere: Fehlanzeige!

Gut, dass es den Verfassungsschutz gibt. Der hat eine Übersicht veröffentlich, wovon man Finger oder Mundwerk lassen sollte: https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/rechtsextremismus/2022-02-rechtsextremismus-symbole-zeichen-organisationen.pdf?__blob=publicationFile&v=10

Im Kapitel 4.5 gibt es eine Übersicht verbotener Losungen:

Komisch, ausgerechnet die inkriminierte Wortsequenz findet sich nicht darunter.

In meinem Bücherschrank steht nun gottseidank einiges an etablierter Literatur über den Sprachgebrauch der NS-Zeit. Allen voran der Klassiker von Cornelia Schmitz-Berning, ein Siebenhundert-Seiten-Wälzer: „Vokabular des Nationalsozialismus“, alles alphabetisch geordnet von „Abmeiern“ bis „Zwischenreich“.   Aber „Alles für Deutschland“? Nicht mit dabei.

Angeregt durch die Tagebücher von Victor Klemperer hatte ich mir schon vor Jahren seine Fibel: „Lingua Tertii Imperii“, die Sprache des Dritten Reiches, zugelegt. Ich blättere darin: Ebenfalls Niete!

Zu guter Letzt eine Recherche in meinem Lexikon „Historische Schlagwörter“:

Und wieder nichts gefunden! Auch der große Brockhaus (15. Auflage, 1933, 17. Auflage 1973) gibt trotz langer Einträge über die SA keinen entsprechenden Hinweis. – Ich kann mich geradezu glücklich schätzen, dass ich das strafbewehrte obige Sprüchlein nicht einfach unbedarft in einem meiner früheren zahlreichen Blog-Beiträge verwendet habe. Allerdings: Die Aussage entspricht auch nicht meiner Einstellung. Ich gebe nicht alles für Deutschland. Meinen klaren Verstand und meine Kritikfähigkeit will ich schon noch behalten, auch wenn viele andere zugunsten der Ampelregierung oder der Political Correctness längst darauf verzichtet haben.