Mein Onkel und der Ulli
Veröffentlicht: 3. Mai 2013 Abgelegt unter: Deutsche Geschichte, Obrigkeitsstaat und Absurdistan | Tags: Steuerhinterziehung Hinterlasse einen Kommentar… die zwei haben vieles gemeinsam: Beide brachten einen Teil ihres Vermögens ins Ausland. Beide wurden denunziert. Gegen beide wurde Anklage erhoben. Mein Onkel wurde bereits verurteilt: Fünf Monate Gefängnis. Dem Uli steht das noch bevor.
Es war am 23.Februar 1933, als mein Onkel abgeurteilt wurde. Er hatte drei Jahre zuvor, mitten in der Weltwirtschaftskrise, ein Konto und ein Wertpapierdepot bei einer Bank in Amsterdam angelegt ohne dies den deutschen Behörden mitzuteilen.
Mein Onkel ist längst verstorben. Ich kann nur mutmaßen, was ihn damals zu seinem Schritt in die „Ungesetzlichkeit“ bewogen hat. Vielleicht die (berechtigte) Sorge um die weitere politische Entwicklung in Deutschland? Kommunisten und Nationalsozialisten hatten damals starken Zulauf; ein gewaltsamer Umsturz war jederzeit möglich; die Reichsregierung herrschte mittels Notverordnungen. Oder war es die Angst vor neuer Inflation? Sieben Jahre zuvor hatten die Sparer schon einmal alles verloren. Oder liebäugelte er mit einem Exil im Ausland und wollte sich einen Sparstrumpf jenseits der Grenze anlegen? Ich weiß es nicht.
Auch hierzulande gibt es in diesen Tagen wiederum allen Anlass sich um seine Spargroschen Sorgen zu machen: Die Spannungen und Animositäten in Europa steigen, viele Ökonomen sagen ein Zerbrechen der Euro-Zone voraus. Rote, Grüne und auch manche Schwarze fordern massive Steuererhöhungen und Vermögensabgaben. Einige Beobachter befürchten sogar bürgerkriegsähnliche Zustände.
Wiederholt sich Geschichte?
Für meinen Onkel war die Sache 1933 noch nicht vorbei. Sieben Jahre später marschierte die Wehrmacht in Holland ein. Am 14.10.1943 verschaffte sich ein deutsches „Devisenschutzkommando“ Zutritt zu den Tresoren der „Rotterdamschen Bank N.V.“ Pech für meinen Onkel. Sein bis dato verheimlichtes Bankschließfach mit ein paar Goldmünzen und Aktien war jetzt auch futsch. Und wieder landete er vor Gericht.
Devisenschutzkommando. Ein treffendes Wort. War es nicht kürzlich ein deutscher Finanzminister, der den Schweizern mit der Kavallerie gedroht hat? Ob der Uli dort auch noch ein Schließfach hat?
Ausgerechnet der Krieg bewahrte meinen Onkel damals vor Zuchthaus, KZ oder Schlimmeren. Als Arzt brauchte man ihn bei der Truppe. Statt Knast wurde ihm noch im März 1945 eine Geldstrafe von 75.000 Reichsmark (in Worten: Fünfundsiebzigtausend) aufgebrummt. Das Protokoll wurde am 6. April 1945 (!) zugestellt. Vier Wochen später war der Krieg vorbei.
Den Nazis verdanken wir Wortschöpfung des „Volksschädlings“. Nach 1945 wurde diese Vokabel wieder aus dem Duden getilgt. Wer sich die Sprüche unserer Politiker in diesen Tagen anhört, der könnte vermuten, daß dieses Substantiv schon bald wieder im Sprachgebrauch auftaucht. Bemerkenswert, was uns da von höchster Stelle vorgeGauckelt wird.
Ich glaube nicht, daß der Uli heute noch so glimpflich davonkommt wie damals mein Onkel unter der Naziherrschaft.
Nachtrag vom März 2014: Der Uli ist verurteilt. Dreieinhalb Jahre Knast. Mein Onkel konnte sich damals nach dem Ende der Naziherrschaft wieder eine neue Existenz aufbauen. Ob das dem Uli auch gelingen wird? Wer den Schaden hat, der braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. Hier die →Verhöhnung des Hoeneß und → hier und →hier.
Und hier die Akten zum Fall meines Onkels: